Satire, Alltägliches und andere AbsurditätenProdukte die die Welt brauchtHaben Sie sich auch schon Gedanken gemacht, ob die Creme mit dem Turbobooster gegen Falten eine echte Notwendigkeit darstellt? Eine vernünftige Spachtelmasse sorgt für eine deutlich bessere Glättung der Gesichtshaut und blättert in Kombination mit ausreichend Botox nicht ab. Der zusätzliche positive Effekt ist, dass man sein Gesicht komplett neu modellieren kann. Man ist in der Lage, jeden Tag ein neues Idol darzustellen, ohne dauerhaft von Stalkern belästigt zu werden. Gut versorgt mit Autogrammkarten des Idols kann man dann eine lustige Zeit auf öffentlichen Plätzen verbringen. Eine hübsch gestylte Verpackung mit einem ansprechenden Namen wie „Superstarface“, die die notwendigen Zutaten beinhaltet, wäre sicher ein Verkaufsschlager. Wahrscheinlich sogar bei Jugendlichen. Die hätten somit die Chance, Starluft zu schnuppern, ohne sich in Superstar-Shows von alten Rüpeln blöd anmachen lassen zu müssen. Sie fragen sich, wie ich auf die Idee für so ein Produkt komme? Ganz einfach. Zu jener Zeit, als ich Inhaber einer Werbeagentur war, wurde ich oft von Freunden und Bekannten gefragt, wie ich für Dinge werben könne, die nicht annähernd hielten, was in der Werbung versprochen wurde. Ich selbst habe natürlich nie für so etwas geworben. Die regionalen Anbieter von Produkten und Dienstleistungen, für die ich arbeitete, sind allesamt absolut ehrliche Menschen. So, wie ich. Doch, nach intensiver Beschäftigung mit Werbespots im Fernsehen und in Hochglanzmagazinen und nach der Lektüre von wissenschaftlichen Untersuchungen der angebotenen Produkte, war ich überzeugt, die Anschuldigungen sind nicht völlig unberechtigt. Wenn auch gegen andere Adressen. Also begann ich Produkte zu erfinden, die nicht mehr versprechen, als sie tatsächlich zu leisten in der Lage sind. Das erste dieser Art war ein Set mit dem Namen „Pro-Erb XXL“. In der Packung obenauf sollten Formulare liegen, die durch einfaches Eintragen eines Erblassernamens, den des Erben und eine eigenhändige Unterschrift des zukünftigen Erblassers das Erbe nach dem Tod des Erblassers eindeutig regeln würde. Mit Hilfe einer den Formularen beiliegenden Hypnoseanleitung sollte der Erblasser leicht zum Ausfüllen der Formulare zu bewegen sein. Ein zusätzlicher kleiner Ratgeber sollte eine Anleitung enthalten, wie man einen so präparierten Erblasser in eine Verzweiflung zu treiben in der Lage ist, die mit einem Selbstmord dessen enden kann. Um einen soliden Suizid ohne den Zukauf weiterer Utensilien möglich zu machen – als ehrlicher Produktentwickler will man Konsumenten ja nicht abzocken –, muss das Set Werkzeuge wie einen Strick und eine Liste der höchsten Gebäude, übersichtlich sortiert nach Standorten, beinhalten. Als wichtigster Teil des Sets darf natürlich eine Übersicht der potenziellen Erblasser nicht fehlen, nämlich eine gut recherchierte Liste der zehntausend reichsten Deutschen. Ein weiteres mir sinnvoll erscheinendes Produkt ist die Alkoholnachfüllpackung für alkoholfreies Bier. Das könnte „Olllalllla“ heißen und die Stimmung in Kreisen, in denen üblicherweise alkoholfreies Bier getrunken wird, mächtig heben. Oder wie wäre es mit einem Nagelentferner für die viel beschäftigte Frau. „Nailex“ würde dieser immens Zeit sparen, die sie normalerweise fürs Lackieren ihrer Nägel aufwenden müsste. Sozial wertvoll finde ich das Mountainbike ohne Räder. Mehrere dieser „Slowdowns“, im Kreise aufgestellt, könnten die Kommunikation der Inhaber fördern. Vielleicht sogar zu Gesprächen über diejenigen Probleme anstiften, vor denen die Biker mit ihren bisherigen Fahrrädern erfolgreich davon geradelt waren. Danach könnten sie sich in die „Sun light“ legen, eine Sonnenbank ohne UV-Anteile, somit garantiert nicht Krebs und Runzelhaut fördernd. Für gemobbte, gestresste oder sonst in irgendeiner Form überforderte Menschen habe ich das Computerspiel „Schlaf-Simulator“ entwickelt. Um diesen armen Individuen ein bisschen das Gefühl von Normalität auf ihrem Weg zum Burnout zu ermöglichen. Und natürlich den „Burnout-Simulator“ für den neugierigen eher entspannten Typus. Besonders stolz bin ich auf die realitätsnahe Entwicklung des „Selbstmordattentats-Simulator“. Auf dem letzten Level nach dem Knall gibt es einen gänzlich blutroten Bildschirm. Es erscheinen keine Jungfrauen, die man kostenlos poppen darf. Den „Selbstmordattentats-Simulator“ könnte man in Al Kaida Trainingscamps umsonst verteilen. Dann wüssten die potentiellen Sprengstoffgürtelträger endlich, dass sie im Ernstfall ausschließlich eine gewaltige Sauerei anrichten. Denen könnte man den „Sex-Simulator“ mit dazu geben. Für – bislang offensichtlich mangelnde – Freuden im Diesseits. Der wäre zudem bei anderen Zielgruppen nützlich im Kampf gegen Aids. Für Übergewichtige sollte es unbedingt den „Essimulator“ geben. Vielleicht wäre der ja auf Krankenschein zu haben. Der „Orangenhautsimulator“ könnte jungen Frauen den Schrecken des Alterns ein bisschen vorweg nehmen. Er könnte sozusagen den Gesamtschrecken in erträgliche Portionen aufteilen helfen. Denn, trotz anders lautender Werbeversprechen, ist Orangenhaut eine Sache, mit der sich jede Frau früher oder später abfinden muss. Außer, sie lässt sich ihren Allerwertesten liften. Oder, sie gehört zu den zehntausend reichsten Deutschen. Dann muss sie, wenn sie Glück hat, nicht lange darunter leiden. Wie Sie sehen können, es ist ganz einfach, wirklich ehrliche Produkte zu entwickeln. Mann muss sich nur klar machen, was Menschen tatsächlich brauchen. Oder sich überlegen, wie man Bedürfnisse für Produkte erzeugt, die man gerne mit einem ordentlichen Profit verkaufen würde. Dann kann man sogar davon leben. Ich gebe zu, ein Produkt, das mir sehr am Herzen lag, konnte ich nicht entwickeln. „Proage“ sollte grabentiefe Falten ins Gesicht von Zwöfljährigen zaubern können, die gerne älter aussehen würden, unter Anderem wegen der Kinokasse. Doch genau so wenig, wie Antifaltencremes Falten tatsächlich glätten, zerfurchten meine selbst angerührten Cremes die Gesichter meiner Kinder. |
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